Overture

Absolvent*innen-Ausstellung: 16. Juli – 10. August 2025
Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main

Mit Arbeiten von Mariia Andreeva, Charlotte Berg, Linus Berg, Sam Cottington, Arnaud Ferron, Samuel Georgy, Tomás Loureiro Gonçalo, Anima Goyal, Giulia Guidi, Aerin Hong, Gašper Kunšič, Gregor Lau, raúl itamar lima, Salome Lübke, Fuki Matsumoto, Rosa Nitzsche, Vincenzo Ottino, Deshaun Price, Emmilou Roessling, Killa Schuetze, Juri Simoncini & Elisa Diaferia, Elsa Stanyer, Nicholas Stewens, Mahmoud Tarek, Siyu Tian, Xtina Vargas, Vera Varlamova, Punch Viratmalee und Ming Yuan.

Ausstellungsansicht von zwei Arbeiten von Mariia Andreeva
Mariia Andreeva, "Order of Appearance (I & II)", 2025, Foto: George Bularca

Mariia Andreeva

Order of Appearance

Eine Serie von Kasein-Drucken; eine fotografische Technik, bei der Pigmente mithilfe separater Negative übereinandergelegt werden. Jede Farbe ist die Belichtung eines kleinen Bereichs innerhalb eines größeren Bildes – ein Blick auf den Wald bei Nacht, in völliger Dunkelheit. Das Erscheinen eines Baumes in der Millisekunde eines Blitzlichts ist ein kurzer, aber intensiver Akt des Sehens. Doch bleiben mehrere Instanzen desselben Motivs unsynchronisierte Versuche, die ein Bild in Unordnung bilden. Im Laufe der Zeit sammeln sie sich als mnemonische Konstellation

Charlotte Berg Untitled 12 2025 Foto Eric Bell
Charlotte Berg, "Untitled" (1&2), 2025, Foto: Eric Bell

Charlotte Berg 

Spine (Wirbelsäule / Rückgrat) und Posture (Haltung) zeigen Behältnisse in unterschiedlichen Stadien der Entleerung, die Luft ist ihnen teilweise entwichen. Schwarze Flecken bilden sich in den Falten und wachsen wie Schimmel. Die Flecken existieren sowohl auf der Oberfläche als auch im Bildraum. 

Sich Spines und Postures Referenzobjekte in Erinnerung zu rufen, wie sie unnachgiebig von ihren Füßen aus in Bewegung gehalten wurden, macht deutlich, dass sie sich im Wesentlichen veränderten, als sie auf die Bildfläche übertragen wurden. Einst aufmerksamskeitsheischend tanzend, sind sie nun durch das Format begrenzt und jeder Teil ihres Körpers ist auf der Fläche punktuell fixiert. Sie werden kartiert, vermessen und ausgestellt, während sie kaum noch zusammenhalten. Sie existieren in einem Raum, der sie beschränkt. Darin sind sie wohl nicht allein. 

Es geht hierbei nicht etwa darum, sich für ein Leben endloser Wiederholungen und leerer Gesten zu entscheiden, sondern um Messung, Beobachtung und die daraus resultierenden Konsequenzen. Es geht um das Malen als Beobachterin und in diesem Zusammenhang um die Frage, was es bedeutet, passiv zu sein. 

Die Referenzfotos zu den beiden unbetitelten Arbeiten zeigen eine Krücke und den Boden in der Dürerstraße 10, nachts aufgenommen, die Schule vom Studio aus verlassend. 

Kunstinstallation von Linus Berg
Linus Berg, "Book Club", Flying Club", "Book Club", 2025, Installationsansicht, Foto: Eric Bell

Linus Berg

Arbeiten der Kulturtheorie und neoliberale Selbsthilfeliteratur stapeln sich zwischen wackeligen Jonglierkeulen und akademischen Hüten übereinander. In den letzten zwei Jahren hat sich meine Forschung vor allem auf das Jonglieren konzentriert, sowohl als akzelerationistische Metapher für da multitaskingfähige, prekäre Künstler*insubjekt als auch als Praxis der systemkritischen Störung. In der westlichen Geschichte haben Jongleur*innen im Karneval, am königlichen Hof und an Ampeln jongliert; sie sind im Zirkus und in unserer Sprache gereist; sie haben sich als antikapitalistische Unterstützer*in der sexuellen Befreiungsbewegung in den Sechzigern organisiert und paradoxerweise haben sie große Positionen in mächtigen Unternehmen wie Apple und Windows eingenommen.

Das Karnevaleske – weder subversiv noch konformistisch – durchdringt Vergangenheit und Gegenwart. Es beschreibt sowohl das Risiko, Scharlatan*innen die Bühne zu überlassen, als auch die Chance, die sich ständig verändernden Wert- und Bedeutungsverhältnisse neu zu verhandeln. Von der Bühnenmagie bis hin zu unternehmerischen Leistungen sind Rauch und Spiegel nicht auf den Zirkus beschränkt: Sie sind ein wesentliches Instrument für Künstler*innen, Trickbetrüger*innen, melancholische Hippies, Tech-Gigant*innen und staatliche Regierungen gleichermaßen.

Ich schöpfe aus verschiedenen Quellen, nicht nur als Reaktion auf den tief empfundenen Kontext-Zusammenbruch unserer gegenwärtigen post-postmodernen Kultur, in der ein Clickbait-YouTube-Video und ein schweres theoretisches Werk mit ähnlicher Gleichgültigkeit konsumiert werden. Anstatt alten Autoritätshierarchien nachzutrauern, möchte ich an eine Ökonomie der Erlaubnis denken, in der Ideen, Materialien und Kontexte aufeinander aufbauen und einen dialektischen Muskel und eine dialektische Sprache entwickeln. Meine Arbeit und meine Schreibpraxis sind keine Fußnoten des anderen, sondern erhalten sich gegenseitig. Die Arbeit löst meine Probleme nicht, aber sie verortet sie und macht sie zugänglich.

Ausstellungsansicht mit sechs Arbeiten von Sam Cottington
Ausstellungsansicht mit sechs Arbeiten von Sam Cottington, Foto: Eric Bell

Sam Cottington

Klasse Monica Baer

Titel:
Paris, 2025
White I, 2025
White II, 2025
Suddenly my uncle came in the room I, Bodeninstallation, 2025
Suddenly my uncle came in the room II, Bodeninstallation, 2025
Dear Diary, Bodeninstallation, 2025

Kunstinstallation von Elisa Diaferia und Juri Simoncini
Elisa Diaferia & Juri Simoncini, "Endo", 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

Elisa Diaferia & Juri Simoncini

Elisa Diaferia und Juri Simoncini sind ein Künstler*innenduo, dessen Praxis sich mit den Möglichkeiten der Weltgestaltung und des Geschichtenerzählens beschäftigt. In der dramaturgischen Auseinandersetzung mit Kommunikationssystemen verschmelzen sie Pop-Referenzen, Musiktheorie und filmische Funktionsweisen zu spekulativen Landschaften, die auf kulturellen Assemblagen basieren. Mit einer skulpturalen Haltung zum Klang und einer musikalischen zum Form erforschen sie, wie Kosmologien entstehen und Geschichten geboren werden.

Für Overture zeigt das Duo die Arbeiten Endo und Troopers aus dem Jahr 2025, produziert für ihre jüngsten Einzelausstellungen À bloc (aaaa nordhavn, Kopenhagen) und Troopers (fffriedrich, Frankfurt am Main). Die Werke verkörpern eine grundlegende Spannung innerhalb ihrer Produktion: Sie thematisieren das Verhältnis zwischen zeitbasierten Medien und räumlicher Erfahrung. In beiden wird das narrative Potenzial zum frustrierten Impuls, mit dem gerechnet und gespielt wird.

Mit einer verstreuten Topografie spürt Endo den Beweisen eines Ereignisses nach, einem Versuch, den Rhythmus in ein physisches System zu übertragen. Während die zentrale Struktur die Reminiszenz an eine Arena, eine Stuntrampe oder einen akustischen Apparat verkörpert, dehnt sich die Installation in Form eines Teppichs aus imaginativen Trümmern aus. Der Titel, der sich aus dem Jargon des Radrennsports ableitet, erinnert an einen Crash. Wie die Rauchwolke, die danach aufsteigt, reflektiert das Werk über die Natur des Melodrams und inszeniert ein schwebendes Szenario aus Aktion, Bewegung und Gewalt.

Der Kurzfilm Troopers entfaltet sich in drei kollidierenden, aber intuitiv ineinander verschränkten Sequenzen. In diesen animiert ein Prinzip der choreografierten Bewegung hochgradig orchestrierte und trügerische Objekte, Sets und Situationen. Indem das Virtuelle, das Physische, das Symbolische und das Willkürliche aufeinanderprallen, entfaltet sich der Film und legt Erwartungen an musikalische und visuelle Entwicklungen offen. Letztendlich offenbart er sich als Behälter für literarische Untersuchung, indem er eine völlig autonome Kurzgeschichte in sein Gewebe einbettet. Das Ergebnis ist eine assoziative, visuelle Träumerei, die versucht, die Beziehung der Zuschauer*in zum Text im Rahmen des Videos zu verkomplizieren.

Portraitfotografien von Arnaud Ferron
Arnaud Ferron, "Portrait study (back)", "Portrait study (front)", 2025, Foto: Eric Bell

Arnaud Ferron

Gustave Le Gray (1820-1884) war ein französischer Maler und Fotograf. Das Bild Salute of the French fleet off Cherbourg (1858), das während seiner Amtszeit als offizieller Fotograf von Napoleon III. entstand, zeigt die Marineübungen der französischen und britischen Flotte im Hafen von Cherbourg während des offiziellen Staatsbesuchs von Königin Victoria in Frankreich.

Das Bild ist ein Beispiel für den Kombinationsdruck, eine frühe Form der fotografischen Manipulation, die dazu diente, unterschiedliche Belichtungen auszugleichen. Le Gray druckte seine Seestücke bekanntlich von zwei Negativen auf ein einziges Blatt Papier: eines für das Meer, das andere für den Himmel belichtet.¹

Trotz ihrer technischen Beherrschung scheint die Fotografie den Niedergang des Zeitalters der Segelschiffe nicht vorwegzunehmen. Die darauf abgebildeten Segelschiffe würden bald durch das Aufkommen der Dampfschiffe überflüssig werden, eine Entwicklung, die durch den Bau des Suezkanals beschleunigt wurde. Einen Monat nach der Aufnahme des Bildes leitete Napoleon III. mit der Belagerung von Tourane (heute Đà Nẵng) die erste Phase der französischen Kolonisation in Vietnam ein. Durch die erhebliche Verkürzung der Reisezeit wurde der Suezkanal zur wichtigsten Seeroute für Dampfschiffe, die Frankreich mit dem späteren Französisch-Indochina verbanden.

Gustave Courbet (1819-1877) gilt weithin als Begründer der realistischen Bewegung, die im Zuge der Aufklärung und der industriellen Revolution die Romantik ablehnte.

Aus Angst vor dem zunehmenden Nationalismus und Autoritarismus unter Napoleon III. verließ Courbet 1858 vorübergehend Frankreich. In einem Brief an seine Familie vom 21. Dezember 1858 schrieb er: I could only write insignificant things, full of unhappiness, nothing very interesting. I ramble through foreign countries to find the independence of mind that I need and to let pass this government that does not hold me in honor, as you know. My absence has been very good.²

View of Frankfurt with the Old Bridge from Sachsenhausen (1858) entstand während Courbets Aufenthalt in Deutschland, wo er einen Großteil seiner Zeit mit Malen und Jagen verbrachte. Das Gemälde entstand in seinem Frankfurter Atelier in Sachsenhausen und zeigt eine pastorale Ansicht des Mains, ohne Gebäude und Passanten. Letztlich zeigt das Gemälde nicht die Prinzipien des Realismus, für die Courbet bekannt ist.

¹) Gustave Le Gray, The Great Wave, Sète, 1857, The Metropolitan Museum of Art, Object Number: 1976.646. https://www.metmuseum.org/art/collection/search/261941. Zugegriffen 27 Juni 2025. ²) Gustave Courbet, Letters of Gustave Courbet, herausgegeben und übersetzt Petra ten-Doesschate Chu. The University of Chicago Press, 1992. ³) Klaus Herding, Courbet in Frankfurt. Debatten über Malerei 1851-2011 in Christian Freigang, et al. (hrsg.), Das neue Frankfurt: Innovationen in der Frankfurter Kunst vom Mittelalter bis heute. Kramer, Waldemar, 2010.

Kunstinstallation von Samuel Georgy
Samuel Georgy, "SOAP OPERA", 2025, Foto: Eric Bell

Samuel Georgy

Soap Opera

Es wird erzählt, dass Don Durito einmal Zigarre rauchend da saß und ein Buch über den Neoliberalismus las, als er von einem Hund besucht wurde, den er seinen „domestizierten Freund“ nannte. Der Hund bat Don Durito indirekt um einen Gefallen und erklärte ihm, dass er unter einer akuten Lärmbelästigung leide. Er umrahmte seine Bitte, indem er sagte, dass er die Hilfe des Dons nur wegen seiner geringen Größe als Käfer benötige. Erzürnt über diese Beleidigung seines Intellekts, lehnte Don Durito zunächst ab. Doch sein Herz erweichte sich, als er erkannte, dass sein domestizierter Freund wirklich verzweifelt war, denn er wusste, dass der Hund die Musik liebte und dass sie seine einzige Freude in einem ansonsten langweiligen Leben war.

Der Hund machte Josephine, die singende Maus, für den Lärm verantwortlich, insbesondere nachdem er gesehen hatte, wie sie in ein ausgestecktes Kabel biss. Don Durito war skeptisch und beschloss, der Sache nachzugehen. Er wagte sich in den Bau und bemerkte, dass ihr zarter Schrei immer deutlicher wurde, je mehr er sich Josephines Performance näherte, obwohl der Raum ansonsten still und voller lauschender Mäuse war. Er nahm ihren Gesang auf - eine zerbrechliche, chaotische Stimme, die kurz vor dem Bruch stand -, konnte aber nicht alles mitbekommen, da die Mäuse mit ihren Schwänzen an eine Art Mischpult angeschlossen waren, das umfangreiche Daten übertrug.

Don Durito war verwirrter denn je und wollte gerade gehen, als er einem Maulwurf begegnete. Er erinnerte sich an Geschichten von Subcomandante Marcos, dass der Maulwurf keinen Löwen fürchtete, da Löwen mit ihrem Blick töten. Er fragte, ob der Maulwurf auch durch Lärm gestört worden sei, und die Antwort lautete ja, was Durito zutiefst betrübte. Er erinnerte sich an Geschichten von Göttern, die nicht zu Lärm tanzen konnten, bis sie Musik in ihren Herzen fanden, obwohl er bezweifelte, dass dies dem Hund oder dem Maulwurf helfen würde.

Durito, der nun gezwungen war, zu vermitteln, ärgerte sich über diese Rolle. Er wollte nie zwischen dem Hund und der Maus entscheiden, doch jetzt musste er sich entscheiden. Er mochte seinen gezähmten Freund, aber die Gerechtigkeit musste siegen. Josephines Lärm war nicht die eigentliche Störung - es war sein eigener Lärm.

Kunstinstallation von Anima Goyal
Anima Goyal, "ਗੁੱਡੀਆਂ (Gudiyaan)", 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

Anima Goyal

ਗੁੱਡੀਆਂ (Gudiyaan) ist ein filmischer kranker Körper, der sprachliche und körperliche Krankheiten über Grenzen, Lebewesen und Objekte hinweg nachzeichnet. „ਗੁੱਡੀ“ wird im Punjabi als „Puppe“ oder „Tochter“ übersetzt. Der Titel bezieht sich auf den Film Daughters of Today von 1928 unter der Regie von Shankradev Arya, der als der erste Punjabi-Stummfilm gilt, der in Lahore (dem heutigen Pakistan) gedreht wurde. Der Originalfilm ist durch verstreute Verwaltungsdaten überliefert; es gibt keine Fragmente oder Beschreibungen. Zu dieser Zeit war Punjab ein einziger Staat. Nach der Teilung von 1947 wurde Punjab in zwei Teile geteilt, einen in Indien und den anderen in Pakistan. ਗੁੱਡੀਆਂ ist eine spekulative Rekonstruktion dieses Werks, in dem zwei Frauen aus den beiden Punjabs in einem unscheinbaren Wald spazieren gehen und ein Gespräch versuchen.

Der Wald enthält viele Krankheiten.

Die Hirschkäferin hat ein Loch in ihrem Körper, in das der Parasit eingedrungen ist.

Ihr Körper verfügt nicht über einen Heilungsmechanismus.

Die Großmutter meiner Freundin hat ihre Puppe in Jullundur zurückgelassen. Die örtliche Karte, mit der sie ihr früheres Zuhause im anderen Punjab finden konnte, ist zu alt.

Sie lehnte das neue Punjab ab. Sie hat ihr Bestes getan, um das Punjabi zu vergessen.

ਗੁੱਡੀ ist auf dem Weg nach Lahore, zu ihrer Freundin, ਗੁੱਡੀ.

ਅੰਗਰੇਜ਼ੀ ਵਿੱਚ ਲਿਖਣ ਨਾਲ ਉਸਦੀ ਪੰਜਾਬੀ ਭਾਸ਼ਾ ਬਿਮਾਰ ਹੋ ਜਾਂਦੀ ਹੈ।

Englisch macht ihr Punjabi krank.

ਗੁੱਡੀ weigert sich zu genesen.

Punjabi würde ihr Urdu krank machen.

وہ ترجمہ کرنا پسند نہیں کرتی

Kunstinstallation von Giulia Guidi
Giulia Guidi, "Vertical section #1", 2025, Foto: Eric Bell

Giulia Guidi

Giulia Guidi lebt und arbeitet zwischen Frankfurt am Main und Bema, Sondrio.

Sie studierte von 2022 bis 2025 an der Städelschule in der Klasse von Gerard Byrne.

In ihrer Praxis verwendet sie Film, Video, Fotografie, Zeichnung und Skulptur, um Wiederholungen, Beziehungen und Überschneidungen von Beziehungen zwischen Licht, Bewegung und Materie zu untersuchen.

Videoinstallation von Aerin Hong
Aerin Hong, "Untitled (Teaser)", Video, 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

Aerin Hong

Untitled (Teaser) ist ein Kurzfilm, der als Teaser für einen imaginären Stummfilm konzipiert wurde.

Am Yamaha-Klavier in seinem Büro sitzend, improvisiert Wolfgang Winter ein Stück, während ein motorisiertes Schmetterlingsspielzeug über die Tasten flattert. In einer festgelegten mechanischen Umlaufbahn gefangen, imitiert das Spielzeug den Flug zarter Flügel. Während seine Finger sorgfältig vermeiden, auf den Schmetterling zu treten, komponieren dessen wiederholende Geräusche und unregelmäßige Bewegungen Rhythmus und Melodie

Kunstinstallation von Gašper Kunšič
Gašper Kunšič, "Night Travelers", 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

Gašper Kunšič

Wenn die Nacht hereinbricht, kommen sie aus ihren Unterschlüpfen. Sie bewegen sich auf mysteriöse Weise. Wenn sie einen Raum betreten, bleibt alles stehen. Sie erscheinen aus dem Nebel, aus dem Rauch. Der Rhythmus füllt den Raum. Sie bringen Licht, selbst wenn es dunkel ist. Sie tragen das Licht in sich. Sie tragen alles, was sie haben, mit sich – einen Trank für jeden Schmerz, einen Kuss für jede Wunde – und schaffen ein Zuhause, wohin auch immer der Weg sie führt. Tätowierungen auf ihren Körpern markieren die Zeit und die Widerstandsfähigkeit – Denkmäler für rücksichtlose Hände, die versuchten, sie zu formen, ihre Magie zu unterdrücken und in einen lebenden Tod zu pressen. Sie sind fast gestorben. Jetzt sehen sie es als ihr Elixier an, als treibende Kraft. Ein Credo. Aus der Dunkelheit haben sie ihre Sonne geformt. Ein dunkleres Licht in violetten Regentönen. Sie halten diese queere Freude fest, die sie gefunden haben, und teilen sie mit denen, die unterwegs sind, um ihre Räume und Körper vor Massakern zu schützen. Sie reisen nachts, um sich zu schützen - auch wenn sie jetzt unbesiegbar sind. Der Weg hat sie zu ausdauernden, widerstandsfähigen Markern des Gesangs in dunklen Zeiten gemacht. Sie bringen einen zarten Hauch in eine unbarmherzige Landschaft – und ehe man sich versieht, ist die Musik verschwunden, es gibt Rauch und den Duft eines fernen Ortes. Sie sind weg, weitergereist. Aber die Melodien, die Welten und die Liebe verbleiben für immer im Raum, den sie aufgeladen haben – und alles, was sie berührt haben, schimmert.

Kunstinstallation von Gregor Lau
Gregor Lau, "You have work for me?", 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

Gregor Lau

In meiner künstlerischen Praxis setze ich geografische und soziale Räume in neue Kontexte. Durch Abgüsse oder Reproduktionen bestimmter Orte und architektonischer Strukturen entwickle ich ein Archiv, das als Grundlage für meine Arbeiten dient. Auf diese Weise ergeben sich sowohl die Themen als auch die Materialien der Werke aus einer intensiven Referenz mit den von mir gewählten Orten. Der Ausgangspunkt sind dabei häufig politische oder historische Ereignisse sowie gesellschaftliche Gegebenheiten und Strukturen.

Meine Arbeit für die Absolvent*innenausstellung ist eine Fortführung eines vorherigen Projekts. Sie befasst sich mit Themen wie dem Wert von Arbeit, Unsicherheiten in Bezug auf die Zukunft und der Frage, wie sich dies in einer künstlerischen Praxis ausdrücken lässt. Durch Material und Form fungieren die einzelnen Elemente als Displays, die sich auf spielerische, installative und skulpturale Weise gesellschaftspolitischen Themen annähern.

Kunstinstallation von raúl itamar lima
raúl itamar lima, "G.C., J.C.O., G.P., L.A.-T. et al. et cetera", verschiedene Zeitpunkte, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

raúl itamar lima

Sie streift vieles, die Sprache.

Manchmal zerbröckelt sie, manchmal vergeht sie unbemerkt, und manchmal wird sie abgeschrieben, dass sie eine andere Art von Kontinuität erlangt.

Dies sind Auszüge aus meinen Lektüren (zumeist aus Büchern der Schulbibliothek), nämlich eine Zusammenstellung von Sprachgebilde sowie Vordersätzen, die, auf Anlaß dieser Ausstellung, auf Carraramarmorplatten aufgeschrieben worden sind.

Ein konzeptuelles Nicken, eine verbale Anordnung.

Kunstinstallation von Tomás Loureiro Gonçalo
Tomás Loureiro Gonçalo, "mic test" (Video), "1" und "2" (Zeichnungen), 2025, Foto: Eric Bell

Tomás Loureiro Gonçalo

Zu mic Test und den Zeichnungen 1, 2 und 3:
Ich hatte ursprünglich jemand anderen gebeten, diesen Text für mich zu schreiben, aber leider wurde sie krank. Als sie es mir sagte, war es bereits Donnerstag, die Abgabe war am Sonntag, und ein Freund war bei mir zu Besuch. Am Ende war es mir dennoch wichtig, eine Außenperspektive auf die Arbeit zu hören, also fragte ich, ob er sich etwas überlegen könnte. Er fuhr früh am Sonntagmorgen weg und schickte mir folgenden Text per WhatsApp:

„Ich glaube, das wäre der Text:
Mondrian: ‚Eines Tages wird die Zeit kommen, in der wir ohne all die Künste, wie wir sie jetzt kennen, auskommen werden; Schönheit wird zu greifbarer Realität herangereift sein. Die Menschheit wird nicht viel verlieren, wenn sie die Kunst vermisst.‘
Denke, es ist gut für das Verlassen der Kunstschule, und wie die Arbeit auf einfachen Faktoren des Lebens basiert.

Und auch, wie die Kunst in das eigene Leben übergeht. In Bezug auf den Hauptteil des Videos. (...) Ja, ich denke, es ist auch ziemlich beruhigend. Und in gewisser Weise hoffnungsvoll."

Danke Asger und danke Marie, dass ihr mir eure Zeit geschenkt habt.

Three paintings by Salome Lübke
Salome Lübke, "Passage I, II, III", 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Eric Bell

Salome Lübke

Geboren 1996
Klasse Monika Baer

Kunstinstallationen von Fuki Matsumoto und Siyu Tian
Fuki Matsumoto, "Roughing it out", Fuki Matsumoto & Siyu Tian, "Diminuendo", 2026, Foto: Eric Bell

Fuki Matsumoto

Roughing it out

4–3, 4–5, 6–1, 4–5, 2–5, 5–1. Sechs Blizzard-Becher später holen die Panthers den Stanley Cup. Nein, das ist nicht dein Thermobecher mit Anhängern; wir reden hier von echtem Spitzensport – vom echten Ding! Blut, Schweiß, aufgeplatzte Lippen – Hockey, Baby. McDavid ist ein Magier, kein Zweifel, aber als der Druck kam, sind die Oilers eingebrochen, während die Cats sich reingebissen haben. Die haben gespielt, als ginge es um Gefühle; wir haben gespielt, als wollten wir den Cup. Und jetzt? Haben wir ihn. Vielleicht gibt’s irgendwo einen Platz für das ganze weiche Zeug – aber nicht hier, nicht jetzt. Wie auch immer, die Jungs da draußen umarmen sich, weinen, küssen – was auch immer. Der Cup gehört uns.

Fuki Matsumoto, Siyu Tian

Diminuendo

Installation von Fuki Matsumoto und Siyu Tian. Text von Fuki Matsumoto.

Diminuendo reflektiert den Zusammenbruch der Bubble-Ökonomie durch eine chaotische visuelle Landschaft. Umgekehrte Wolkenkratzer sitzen wie Relikte einer gestürzten Ordnung, während eine Flut von Bildern – Meme-Kultur, Kultfilme, Purikura, Sport, Subkulturen und Werbung – unaufhörlich um sie herumwirbelt. Die Arbeit ahmt das überwältigende Tempo des modernen Lebens und der wirtschaftlichen Rezession nach, in der zu viele Informationen Bedeutung auflösen und Spektakel den Niedergang verdecken. Mit Anleihen an die Ästhetik von B-Glanz und Internetsättigung fängt Diminuendo eine Welt ein, die zwischen Nostalgie und Ausbrennen gefangen ist. Es ist keine stille Rezession, sondern ein greller, desorientierender Abstieg.

Ein Standbild aus Rosa Nitzsches Video
Rosa Nitzsche, "Spring of Affection", Video, 2025, Foto: Eric Bell

Rosa Nitzsche

Spring of Affection ist ein Musical-Kurzfilm.

Er zeigt das willkürliche Leben dreier Engel in Frankfurt, die sich durch U-Bahn-Stationen, einen Park und häusliche Räume bewegen. Plötzlich erscheint ein Schneider und singt ein Lied über seine Emotionalität. Der Film endet an einer Taxitankstelle.

Rosa hat die Tradition des französischen Musicals studiert.

In ihrer Arbeit verwendet sie nicht-professionelle SchauspielerInnen und reale Orte. Die Kamera übernimmt eine dokumentarische Funktion innerhalb eines inszenierten Settings. Der Ton trägt gleich viel Bedeutung wie das Bild.

Das Musical besteht aus zwei Liedern – eines wird von einem menschlichen, das andere von einem nicht-menschlichen Wesen interpretiert. Es reflektiert über unterschiedliche Formen des Bewusstseins und darüber, was sie voneinander unterscheidet.

Spring of Affection betrachtet den Versuch einer objektiven Dokumentation des Lebens – sei es durch analoge Schwarz-Weiß-Dokumentarfotografie oder durch die Perspektive eines Engels und dessen Sammlung von Gedanken.

Rosa Nitzsche wurde 1999 in Berlin geboren. Als Künstlerin arbeitet sie mit Sound, Fotografie, Video und Zeichnung.

Kunstinstallation von Vincenzo Ottino
Vincenzo Ottino, "Dido Hide IV", "Cinecittà", 2025, Foto: Eric Bell

Vincenzo Ottino

Klasse Gerard Byrne

Deshaun PriceFigure in width 2025 Foto Eric Bell
Deshaun Price,"Figure in width", 2025, Foto: Eric Bell

Deshaun Price

Geboren 1992
Klasse Monika Baer

Kunstinstallation von Emmilou Roessling
Emmilou Roessling, "Menzels Schlafzimmer / Menzel’s Bedroom", Installation, 2025, Foto: Eric Bell

Emmilou Roessling

Emmilou Roessling (*1991, Berlin) beschäftigt sich mit Skulptur, Choreografie und Text. Sie studierte Choreografie in Gießen und Amsterdam sowie Bildende Kunst an der Städelschule in der Klasse von Haegue Yang. Nichts ist beständig – trotz aller Bemühungen, zu erhalten und zu archivieren. Menzels Schlafzimmer verlangt nicht nach konservatorischen Maßnahmen, sondern unterwirft sich dem Lauf der Zeit, wie ein zweitrangiges Ölgemälde, dessen Farben sich verdunkeln und das nie restauriert wurde, oder eine Statue in der Ecke eines verwahrlosten Parks. Das Kupfer oxidiert, das Wasser verdunstet, der auf Thermopapier gedruckte, dem Licht ausgesetzte Text verblasst und verschwindet schließlich.

Auf das Papierband gedruckt ist die detaillierte Beschreibung eines Interieur, wie es in Adolph Menzels Gemälde Das Schlafzimmer des Künstlers in der Ritterstraße von 1847 abgebildet ist. Der Text wird im Laufe der Ausstellung erneuert und überarbeitet; nicht, um ihn an einem Punkt der Zeit zu fixieren, sondern um ihn in seiner vorübergehenden Bedeutung fließen zu lassen, bevor er sich verändert. Noch einmal!

Kunstinstallation von Killa Schuetze
Killa Schuetze, "Say Hi To Forever", 2025, Foto: Eric Bell

Killa Schuetze

Welche Bedeutung hat eine Tür, wenn sie sich nicht mehr öffnen lässt? Wenn sie keinen Zugang mehr gewährt, sondern ihn versperrt? Ist sie ein Fragment, ein Hindernis oder einfach ein Überbleibsel eines Systems, das seine Funktion verloren hat?

In Say Hi To Forever arbeitet Killa Schuetze mit Metalltüren, die aus ihrem architektonischen Zusammenhang entfernt wurden. Ihrer ursprünglichen Bestimmung beraubt, werden sie zu rekontextualisierten Oberflächen – Markierungen von Übergängen, Grenzen ohne Funktion.

Eine der Türen zeigt einen großen Subscan einer geballten Faust. Eine Geste, die üblicherweise mit Widerstand oder Handlungsfähigkeit assoziiert wird, erscheint hier verschwommen und instabil. Durch eine Subscan-Technik wird eine Fotografie mit tiefen Bassvibrationen eines Subwoofers verzerrt, wodurch der Scanprozess gestört wird. Das entstehende Bild oszilliert zwischen Körper, Geräusch und Maschine – nicht als klare Darstellung, sondern als Störung. Die Metallstruktur wird von handgeformten Tonobjekten bewohnt, die ohne Werkzeuge in schnellen, intuitiven Gesten entstanden sind – Fäuste, die in weiches Material gedrückt und wieder gelöst wurden. Einige dieser Formen sind zerbrochen und sichtbar mit Silikon und Wachs repariert – Verletzlichkeit, Transformation und Zeit werden betont. Die Reparaturen werden nicht versteckt, sondern integriert; sie markieren den Bruch, ohne Ganzheit wiederherzustellen. Die Objekte erinnern an Korallen, Knochen oder Körperflüssigkeiten und verweisen auf Kreisläufe von Verfall und Regeneration.

Die Elemente – manche an Wächter erinnernd, andere mehrdeutig – haften wie Wucherungen an der Struktur. Sie füllen Risse und Kanten, schaffen einen Dialog zwischen Weichem und Hartem, Organischem und Industriellem.

Die Installation bietet keine abschließenden Antworten, sondern untersucht materielle und emotionale Zustände: zerbrochen versus intakt, digital versus manuell, konstruiert versus gewachsen. Sie entfaltet sich als Archiv vergangener und aktueller Arbeiten – ein lebendiger, sich wandelnder Körper, geformt durch Beharrlichkeit und Anpassung. Say Hi To Forever wird zur Studie von Resilienz – nicht als Perfektion, sondern als fortwährende Aushandlung zwischen Verletzlichkeit und Form.

Text von Franka Marlene Schlupp

Ausstellungsansicht der Videoinstallation
Elsa Stanyer, "Surrogate I", Videoinstallation, 2002–2025, Foto: Eric Bell

Elsa Stanyer

Die Loslösung aus vertrauten Atmosphären und Verlassenheit sind in der Praxis von Elsa Stanyer wiederkehrende Themen, jedoch nicht als subjektiver Zustand, sondern vielmehr als Merkmal unseres gemeinsamen und voneinander abhängigen Lebens. Wir sind verwundbar gegenüber jenen sozialen Gefügen, die unser Leben ermöglichen, und wenn sie wanken, wanken auch wir. In psychoanalytischen Thesen ist der „Subjektwerdung“ ein vermeintlicher Prozess der Abnabelung vorangestellt, der so zur Selbstermächtigung führt. Die Arbeiten von Elsa Stanyer untersuchen dabei die Möglichkeit, Abhängigkeiten nicht einfach zu überwinden, um diese Selbst-ermächtigung zu erreichen: Vielmehr sollen diese von Abhängigkeit geprägten Beziehungen gleichwertig existieren, um daraus etwas entwachsen zu lassen.

Text von Sophia Scherer

Nicholas Stewens Beaches 2025 Foto Eric Bell
Nicholas Stewens, "Beaches", 2025, Foto: Eric Bell

Nicholas Stewens

Nicholas Stewens' Praxis umfasst Malerei, Skulptur und Installation. Seine Arbeit lädt verstrickte Situationen dazu ein, sich abzuspielen, wo widersprüchliche Ideologien aufeinandertreffen: militärische Traditionen, Queer-Theorie, christliche Schulbildung, Incel-Subkulturen, kommerzieller Punk und andere ikonografische Geschichten unserer Zeit. Das Ergebnis ist ein monströses Amalgam von Ideen, bei dem eine Lösung unwahrscheinlich erscheint.

Seine Werke zielen jedoch auch darauf ab, Erleichterung zu verschaffen. Vergesslichkeit, Depression, Faulheit und andere Zustände des Seins, die den produktiven Rhythmus unterbrechen, werden in Objektidentitäten eingeladen. Ihrer ursprünglichen Logik widerstehend, widmen sich diese Objekte einer mehr frivolen Angelegenheit. Indem sie sich undefinierte Räume schaffen, in denen neue Beziehungen zu ihrer Umgebung und zueinander entstehen können, kommt es zu einer Neubewertung und Neuorientierung. In Stewens' Abschlussarbeiten, Beaches und 50,1031° N, 8,6741° E, wird die buchstäbliche Orientierung im Raum zum Schlüssel.

Das Diptychon Beaches greift auf einem 360°-Found-Footage-Video von der Eröffnungsfeier eines Fußballspiels zurück. Flammenwerfer und Feuerwerkskörper erhellen das Spielfeld, eine Marschkapelle heizt die Menge an, Spieler*innen stürmen das Spielfeld. Während ein Schneesturm die Szene verschluckt, beendet er sie nicht. Der Lärm geht weiter. Inmitten des Spektakels verweigern die Bilder des panoptischen Geräts die Sensationslust. Stattdessen markieren sie eine einfache Geste: ein Blick nach unten auf den Boden, ein Blick nach oben.

Kunstinstallation von Mahmoud Tarek
Mahmoud Tarek, "Our Cloud", 2025, Foto: Eric Bell

Mahmoud Tarek

Die Arbeit beginnt mit symbolischen Formen – Landschaften, häusliche Materialien, Tiere – vertraute Strukturen, die eine ererbte Bedeutung tragen. Durch Wahrnehmungsverzerrungen behandle ich diese Symbole nicht als feste Einheiten, sondern als Platzhalter innerhalb sich verändernder Systeme. Ihre Funktion besteht nicht darin, direkt zu kommunizieren, sondern die Instabilität ihres eigenen Status zu registrieren.

Mich interessiert, was passiert, wenn „universelle“ Symbole – wie Wolken oder Goethe – ihren gottähnlichen Status verlieren. Sobald sie in den Museumsraum verlegt werden, gewinnen sie nicht nur an Sichtbarkeit – sie beginnen zu verrotten. Die Wolke spannt ein Seil, das ohne Absicht aus ihrem Inneren herabreicht, und Goethe ist nicht die Aufklärung; er ist im Rachen eines Vorstadtmonsters gefangen. Es sind nicht nur Metaphern im literarischen Sinne, sondern Arrangements, die die Sichtbarkeit verkomplizieren. Ein zentrales Bild stammt von einem auf Holz gemalten Familienfoto, bei dem der Kopf des Subjekts – mein eigener – herausgeschnitzt wurde. Was übrig bleibt, ist negativer Raum, der von einem cartoonhaften Monster im Hintergrund ausgefüllt wird. Diese Figur taucht nicht als Symbol für ein Trauma wieder auf, sondern als strukturelle Lösung: eine Möglichkeit, die Abwesenheit zu erklären, ohne sie aufzulösen.

Die Arbeit strebt nicht nach Kohärenz. Sie nutzt vertraute Codes, um den Punkt aufzuzeigen, an dem sie zusammenbrechen oder, schlimmer noch, zu reibungslos zu funktionieren beginnen.

Kunstinstallation von Siyu Tian
Siyu Tian, "Polychord", 2025, Foto: Eric Bell

Siyu Tian

Polychord ist eine Art Technologie der Akkordüberlagerung, die verwendet werden kann, um den Effekt von Polytonalität zu erzielen. Polytonalität greift auf eine kompositorische Technik zurück, die den gleichzeitigen Einsatz von zwei oder mehr verschiedenen Tonalitäten beinhaltet. Ihre Ausdruckskraft liegt in dem Kontrast und der Resonanz, die durch das Zusammenspiel unterschiedlicher tonaler Zentren entstehen und ein einzigartiges, vielschichtiges Klangerlebnis erzeugen.

Das Werk verwebt dynamische Momente nächtlicher Szenen zu einer einzigen, facettenreichen visuellen Komposition. Es lässt die Betrachter*innen in eine Symphonie sich überlagernder Umgebungen eintauchen und ruft das Gefühl hervor, in diesen sich überschneidenden Räumen völlig präsent zu sein – und doch immer die Freiheit zu haben, sich zurückzuziehen und im eigenen Rhythmus zu bewegen. 

Zeichnung von Xtina Vargas
Xtina Vargas, "Untitled (We love you)", 2025, Foto: Eric Bell

Xtina Vargas

Geboren 1997
Klasse Monika Baer

Videoinstallation von Vera Varlamova
Vera Varlamova , "Abschieben am Apparat", 2025, Ausstellungsansicht, Foto: Städel Museum – Norbert Miguletz

Vera Varlamova

Vera Varlamova is false-hope narrative and an equal-opportunity dating site that feeds on itself.

Bosnian-born orphan, she migrated illegally to Switzerland at fifteen, spending her early years creating stained glass and frescoes of animal corpses in an attic studio while evading immigration authorities.

After her inevitable deportation, she relocated to the U.S. This phase is marketed as her "breakout". She arrives at Black Mountain College in its final glitch years – two semesters of utopian hallucination before the institution collapses under the weight of its own mythology. She calls this the happiest time of her life. Could be metaphor, could be from a brochure. She disappears again.

Cue New York. Cue Duchamp. She becomes his studio assistant, intimate accomplice, alleged co-author. The Bride Stripped Bare, among others, is rumored to bear her fingerprints— though no documentation survives outside whispered anecdotes and misattributed footnotes. Their friendship: unphotographable, endlessly cited. After his death, she reinvents herself in Paris. Legally, this time. She repurposes Duchamp's Rolodex to found the abcd collection: a salvage operation for so-called "outsider" and "degenerate" art. Over 2,000 works. Ongoing. Touring. A monument to the archive as survival strategy.

In Paris, she meets Elf Mikesch. They fall in love. Varlamova stars in Mikesch's cult film Seduction: The Cruel Woman, playing herself as a dominatrix playing someone else.

Shortly after their long awaited legal marriage in 2001, Varlamova leaves her new wife and Europe without a single note and this time – forever. She moves to Saïda, Algeria where she converts to Sufism under the name Bassel Mohammed, devoting her final years to poetry and prayer.

Today, the legacy of Vera Varlamova is both deeply profound and widely argued. There's no official catalogue raisonné. Her name recurs in footnotes, image captions, corrupted downloads. Part myth, part manifesto. A shape moving through formats – always halfway gone.

(Katalogtext – nur in englischer Sprache)

Publikation von Punch Viratmalee
Punch Viratmalee, "Alte Meister", Publikation, 2025, Foto: Eric Bell

Punch Viratmalee

Alte Meister ist eine Performance, bei der die Künstlerin den freien Zugang nutzt, der ihr durch ihren Status als Studentin an der Städelschule gewährt wird, eine Bedingung, die durch die besondere Beziehung zwischen der Schule und dem Museum beeinflusst und festgelegt ist, die beide aus einer Stiftung hervorgegangen sind, die Johann Städel, ein wohlhabender Bankier und Kunstmäzen, 1815 testamentarisch hinterlassen hat. Die Künstlerin besuchte das Städel Museum im Laufe von 40 Tagen wiederholt. Bei jedem Besuch, der in der Regel etwa zwei Stunden am Nachmittag dauert, betrachtet sie ein Gemälde aus der Sammlung alter Meister – Giovanni Bellinis Madonna mit Kind, Johannes dem Täufer und Elisabeth. Während dieses anhaltenden Prozesses des Betrachtens dokumentierte sie Gedanken und Eindrücke, die in diesem Moment auftauchten. Die Publikation mit dem Titel Alte Meister ist der Höhepunkt und zugleich das Überbleibsel der oben erwähnten Performance. Obwohl sich die Schriften auf die Beobachtung der Künstlerin konzentrieren, haben sie sich erweitert, um die Erfahrung der Künstlerin als Fremdkörper in einem institutionellen Raum, der reich an Geschichte und sozialen Ritualen ist, mit einzubeziehen. 

Kunstinstallation by Ming Yuan
Ming Yuan, "In the blue willow room, she promises the possibility of the real", 2025, Foto: Eric Bell

Ming Yuan

Ming Yuan (*1997, Chengdu) arbeitet mit Malerei, Skulptur, Essay und Ton, um zu untersuchen, wie die angestrebte Identität, insbesondere rassifizierte Weiblichkeit, verpackt, sentimentalisiert und ästhetisiert wird. Ihre Praxis ist geprägt von historischem Materialismus und von ihrer diasporischen Erfahrung im Umgang mit Ethnie, Geschlecht und Klasse. Sie betrachtet ästhetische Systeme als umkämpftes Terrain, auf dem Erinnerung, Ideologie und rassifizierte Wirtschaftssysteme lesbar gemacht werden.

Yuans Ton ist ornamental, minimalistisch und theatralisch, aber dennoch reich an Bezügen. Ihre Werke parodieren ihre eigene Lesbarkeit und decken Widersprüche auf, die in kulturellem Wert, Identität und Oberfläche eingebettet sind. Die rahmenden Mittel sind ebenso aufgeladen wie das, was sie umschließen. Oberflächen werden zu volatilen Orten, an denen Verführung auf Misstrauen trifft, und ästhetische Erstarrung tiefere ökonomische Subtexte des Wertes offenbart.

In the blue willow room, she promises the possibility of the real bewegt sich irgendwo zwischen Boutique, Schrein und persönlichem Archiv. Es gleicht einem Raum, der keine Überzeugungen enthält, aber voll von Andeutungen ist. Der Raum oszilliert zwischen zu leer und zu voll und inszeniert eine Choreografie aus überladener Präsentation und kontrollierter Auslöschung. Misstrauen und Kitsch flackern kurz auf, bevor sie zum Schweigen gebracht werden. Schönheit wird zu einem System der Kontrolle, gestreckt über die Illusion der Anwesenheit und die Schwere der Abwesenheit, und manifestiert, wie das Objekt zum Subjekt in Drag wird.

Mit handgesiebten Toile-de-Jouy-Tapeten und unheimlichen Skulpturen aus yachtlackiertem Mahagoni entlarvt Yuan ihre eigene visuelle Logik. Inmitten der Unmittelbarkeit der ornamentalen Überladung enthüllt sich allmählich ein Verdacht: Das wahre Ornament des blauen Weidenzimmers ist das Alibi einer rassifizierten Mädchenzeit. Es wird angedeutet, vorenthalten und verdrängt.

Mit In the blue willow room, she promises the possibility of the real verspricht sie, wie der Titel andeutet, die Möglichkeit des Realen. Doch das Reale bleibt in der Dekoration stecken, wird durch das Verlangen sublimiert und von der Fähigkeit des Ornaments heimgesucht, ebenso viel zu verbergen wie zu enthüllen.

Plakat zur Ausstellung
Posterdesign: Studio Latitude

Overture

Ausstellung: 16. Juli – 10. August 2025

Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten: Dienstag–Sonntag, 10–18 Uhr; Donnerstag, 10–21 Uhr

Eröffnung: Dienstag, 15. Juli 2025, 19–22 Uhr

Eingang über Holbeinstraße, gegenüber Hausnummer 8.
Mit einem Performanceprogramm der Studierenden.

Unter dem Titel Overture präsentieren im Städel Museum 30 Absolvent*innen ihre Abschlussausstellung. Nach einem bis zu fünfjährigen Studium der Bildenden Kunst markiert die Ausstellung nicht (nur) das Ende ihrer Studienzeit, sondern auch eine Einstimmung auf das, was noch kommen wird. Overture verweist auf den Horizont der eigenen künstlerischen Praxis und den damit verbundenen Prozess, den Zugang zu Kunst und ihre Relevanz immer wieder neu zu entwickeln und zu entdecken.

Die Werke der Studierenden eröffnen Einblicke in aktuelle Diskurse der Kunst und arbeiten sich zugleich an zeitlosen Themen ab, die sie in ihre eigene Gegenwart und Lebenswelt hineinbringen: Die Politik und Ästhetik des Alltags; die unermüdliche Zirkulation von Bildern; die Fluidität von Identität; Affekte wie Begierde, Verletzlichkeit und Sehnsucht; die Einschreibungen von Geschichte und Zeit; die Grenzen von Sprache und Kommunikation; die Künstlichkeit unseres Naturverhältnisses und die Bedingungen von Produktion – auch in Bezug auf die eigene Position. So vielfältig wie ihre Themen sind auch die Praktiken der Studierenden: Film, Video und die Arbeit mit Klang treffen auf Installation und Skulptur, Malerei und Collage sowie auf konzeptuelle und performative Interventionen.

Die Künstler*innen sind Mariia Andreeva, Charlotte Berg, Linus Berg, Sam Cottington, Arnaud Ferron, Samuel Georgy, Tomás Loureiro Gonçalo, Anima Goyal, Giulia Guidi, Aerin Hong, Gašper Kunšič, Gregor Lau, raúl itamar lima, Salome Lübke, Fuki Matsumoto, Rosa Nitzsche, Vincenzo Ottino, Deshaun Price, Emmilou Roessling, Killa Schuetze, Juri Simoncini & Elisa Diaferia, Elsa Stanyer, Nicholas Stewens, Mahmoud Tarek, Siyu Tian, Vera Varlamova, Xtina Vargas, Punch Viratmalee und Ming Yuan.

Aus den Klassen von Monika Baer, Gerard Byrne, Judith Hopf, Hassan Khan, Tobias Rehberger, Willem de Rooij und Haegue Yang.

Kuratiert von Johanna Laub.

Absolvent*innenpreise

Im Rahmen der Ausstellung wurden durch eine Fachjury Preise an die Absolvent*innen für die besten Abschlussarbeiten verliehen:

Arnaud Ferron, Klasse Haegue Yang
Preis des Städelschule Portikus e.V. und der Stiftung Städelschule für junge Künstler

Anima Goyal, Klasse Willem de Rooij
Preis der Plastischen Chirurgie Frankfurt | Hochtaunus

Nicholas Stewens, Klasse Judith Hopf
Preis der Sammlung Pohl

Zudem konnten dank der Heinz und Gisela Friederichs Stiftung an folgende Absolvent*innen Stipendien vergeben werden:

Elisa Diaferia & Juri Simoncini, Klasse Haegue Yang
Samuel Georgy, Klasse Hassan Khan
Gregor Lau, Klasse Monika Baer
Killa Schuetze, Klasse Tobias Rehberger
Vera Varlamova, Klasse Judith Hopf

Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein von den Absolvent*innen produzierter Katalog, der kostenlos erhältlich ist. Er enthält individuelle Beiträge der Studierenden, die Einblicke in ihre Werke, Recherche und Ideenwelt geben. Begleitet wird der Katalog zudem von einem Essay der Gastprofessorin Ghislaine Leung und weiteren Beiträgen von Professor*innen.

Programm und Führungen

Eröffnung: Dienstag, 15. Juli 2025, 19–22 Uhr
Städel Museum, Eingang gegenüber Holbeinstraße 8, 60596 Frankfurt a.M.

19 Uhr Eröffnungsreden und Preisverleihung
Ansprachen von Barbara Clausen, Rektorin der Städelschule, und Philipp Demandt, Direktor Städel Museum, mit anschließender Verleihung der Absolvent*innenpreise. Im Garten des Museums.

20:30 Uhr Sam Cottington, Monicka .Play
Ausstellungsraum, Dauer 15 Min.

Ein Geist spukt im Städel Museum. Was der Geist sagen will, ist unklar – vielleicht, weil ein Geist anders spricht als ein lebender Mensch. In einem Großteil der Literatur, in der Geister auftauchen, fungieren ihre Stimmen als erzählerisches Mittel, um die Handlung voranzutreiben – unter der Annahme, dass ihr Hauptanliegen darin besteht, mit den Lebenden zu kommunizieren. Monicka hingegen stellt sich ihre sprachliche Motivation anders vor: als echoartige Schleife verdrängter Innerlichkeiten. Diese Stimmen bündeln sich zu etwas anderem als einem Willen zur Rückkehr oder zum Dialog mit den Lebenden. Stattdessen ähnelt es eher einem nekromantischen Futurismus – einer erotischen Reibung flackernden Nicht-Seins, einer Kontinuität ohne Reproduktion.

21:15 Uhr Emmilou Roessling, Schemes of an Hour
Garten des Städel Museum, Dauer 25 Min.

Eine Choreografie für die Übergangszeit der Dämmerung und ihre besondere affektive Mehrdeutigkeit.

Choreografie: Emmilou Roessling; Komposition und Live-Violine: Julia Yoo Soon Gröning; Performance: Hanako Hayakawa; Originalbesetzung: Rachell Bo Clark, Amanda Barrio Charmelo & Hanako Hayakawa; Dramaturgie & Recherche: Lucas Eigel. Mit musikalischen Zitaten von Julius Eastman.

Ermöglicht durch die Unterstützung des Ottilie-Roederstein-Stipendiums des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, die Produktionsförderung des Fonds Darstellende Künste, das Reisestipendium der Hans und Stefan Bernbeck Stiftung, die Jean-Claude Maier Galerie Frankfurt am Main und die großzügige Unterstützung des Städelschule Portikus e.V. Besonderer Dank gilt Zimmerli of Switzerland und dem Ensemble Quillo für die Teilfinanzierung von Kostümen und musikalischer Ausstattung.

Ab 23 Uhr Party zur Absolvent*innenausstellung
Daimlerstraße 32, 60314 Frankfurt am Main

Finissage: Sonntag, 10. August, 14–17 Uhr
Städel Museum. Eingang über Schaumainkai 63

14:15 Uhr Punch Viratmalee, Alte Meister—Heute
Treffpunkt: Museumskasse; Dauer ca. 30 Min.

„Ich fürchte, ich ergebe heute nicht allzu viel Sinn – aber ich habe über die Idee von Heute nachgedacht. Ein Heute, das auch jeder Tag sein könnte. Ein Tag (oder sogar eine Stunde), der die Verdichtung vieler Tage ist, wenn der Zustand sich nicht wesentlich verändert hat. Der Haupttag aller Tage. Der einzige Tag, der Sinn ergibt – dann spielt die Anzahl der Tage keine Rolle mehr. Das Ziel ist es, einen Tag zu schaffen, der in der Schwebe bleibt, wie eine Wolke, die nie vorbeizog, sich nicht auflöste und nicht weiter verdichtete.

Ich lade Sie herzlich ein, diesen Tag mit mir zu verbringen.“

Die Künstlerin führt das Publikum mit ihrer Performance durch die Sammlung des Städel Museums und liest einen ausgewählten Auszug aus ihrer Publikation Alte Meister (auf Englisch).

15 Uhr Öffentliche Führung auf Deutsch
Treffpunkt: Eingangsbereich der Ausstellung, Dauer 60 Min.

16 Uhr Anima Goyal, Compartmentalization of an ill body, 20 Min.
Treffpunkt: Eingangsbereich der Ausstellung

When new wounds are
inflicted at later times, multiple
columns of defect develop.

Eine begleitende Lesung (auf Englisch) zu der Videoarbeit Gudiyaan, die sich auf die laufende Forschung der Künstlerin zu chronischen Erkrankungen konzentriert – dargestellt durch den langsamen Verfall im Körper alter Puppen und einer Buche.

22:00 Uhr Vera Varlamova, Painting Fish
Städelschule (Lichthalle), Dauer 15 Min.

Ihre schamlose Hingabe an die Sünde der bildlichen Darstellung im öffentlichen Raum, begleitet von einer Live-Darbietung der Bach-Arie Widerstehe doch der Sünde.

Unterstützer*innen

Overture wird ermöglicht durch die großzügige Unterstützung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, von Allen Overy Shearman Sterling LLP und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung. Wir danken dem Städelschule Portikus e.V., der Stiftung Städelschule für junge Künstler, der Sammlung Pohl gGmbH, Plastische Chirurgie Frankfurt | Hochtaunus und der Heinz und Gisela Friederichs Stiftung für das Stiften von Preisen und Stipendien für die Absolvent*innen.