21.3. ─ 25.4.2021
Moment, abends, das wiederholt sich immer. Da steht ein Glas mit Zahnbürsten in verschiedenen Farben auf der Ablage, die alle in umgekehrte Richtungen zeigen. Blaues, rotes, gelbes Plastik. Die Blaue wendet sich den Fliesen zu und ab, die Rote lehnt sich an die Wand und schaut sich selbst im Spiegelschrank an. Auf dem Glas sind Schlieren von Zahnpasta, auch an der Gelben lief sie entlang, aber der Schaum ist schon getrocknet. Die Bürsten sind verklebt und in ihrer Bewegung stehengeblieben. In diesen Moment hineingehen, in das Bild, das aufkommt. Dieses Bild von dort im Badezimmer stehen, in dieser Gegenwart. Der Ort, an dem dieses Nachdenken stattfindet. Dort sein und diese Anwesenheit, die trotzdem woanders ist.
23:22
Die stehengelassenen Zahnbürsten schieben sich nach vorne, gleichzeitig in den eigenen Raum. Sie rufen dieses Erinnerungsbild auf, wie man seinen Wohnraum mit dieser Person geteilt hat. Es bewegt sich vorwärts und rückwärts. In der Zeit, die man damit verbringt, in der man darüber nachdenkt, wie und mit wem man wohnt. Sie warten auf die Person, die sie benutzt hat, dass sie das wiederholt. Das ist auch das, woran ich merke, sie werden benutzt, diese Abnutzungen. Sie sind in Gebrauch oder sie waren in Gebrauch. Oder sie sind nass, weil die Person gerade erst gegangen ist. Auf der einen Seite heißt das, dass diese Person nicht mehr da ist. Auf der anderen Seite das Gefühl, dass ein Teil von ihr doch noch hier ist. Sich in diese Erinnerung im Gefühl werfen, aber der Gegenstand bleibt so wie er ist. So oder so, wie ein Gegenstand, der immer wenn er gedreht wird, anders aussieht und sich relativiert. Der gegenwärtigen Wahrnehmung eine Erinnerung hinzufügen. Und alles Weitere folgt von selbst, könnte kompliziert werden oder einfach schön.
23:23 (A)
23:23 (F)
23:23 (P)
Gedoppelte Zeit, aber nicht eins zu eins. Das ist der Punkt, an dem die Zahnbürsten zu eigenständigen Objekten werden, nicht mehr im Badezimmer stehend, sondern es findet eine Verlagerung statt in einen anderen Raum. Sie werden mitgenommen in diese neue Umgebung, auch das fordert wieder Zeit. In dieser Zeit verändern sie sich und werden zu etwas Größerem. Von dem sich immer wiederholenden Moment des Erinnerns zu einer beständigen Arbeit am Objekt, wie die Gedanken an eine Person. Durch diese anhaltende Pflege des Objekts dehnt sich auch die Erinnerung an die Person aus. Die Erinnerung verlängern, sich in ihr einrichten und sie dabei bewohnen, damit sie sich nicht als Bild, sondern als Handlung wiederholt.
23:24
Notationen zur Zeit nächtlicher Zahnpflege. Zahlen und Zeichen, die in den verwischten Wolken der Zeichnung hängen. Eine Kombination aus abstraktem Bild und darin steht die Zeit. In dem Moment, indem es groß wird, verliere ich die Übersicht, ich kann es von Weitem sehen, aber aus der Nähe sehe ich nicht alles, nur einen Ausschnitt. Da gibt es einen Moment von: sie sind nicht ganz einsehbar, diese Einfälle. Weil sie aus dem Rahmen, in dem sie sich eigentlich bewegen, herauswachsen, sie gehen darüber hinaus und auch über mich. Sie wachsen viel weiter, auch in Relation zu dir.
23:25
Text: Luisa Kleemann
Rahel Goetsch (*1993) lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und Berlin. Seit 2018 studiert sie Bildende Kunst an der Städelschule bei Judith Hopf und Wolfgang Winter. Zuvor stellte sie im Kunstpunkt Berlin, Berlin, in der Basis, Frankfurt am Main, bei Lovaas Projects, München, sowie im Duo mit Manuel Tayarani bei sonneundsolche, Düsseldorf, aus. Nightly Cares in der Schleuse Opelvillen Rüsselsheim ist ihre erste institutionelle Einzelausstellung.
Schleuse Opelvillen Rüsselsheim
Ludwig-Dörfler-Allee 9
65428 Rüsselsheim am Main
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 14-18 Uhr, So 10-18 Uhr
Die Ausstellung wurde von der Mart Stam Gesellschaft gefördert.