Helke Bayrle (1941–2022)
Letzte Woche haben wir eine enge Freundin verloren: die Künstlerin Helke Bayrle ist im Alter von 81 Jahren verstorben.
Seit Ende 1992 hat Helke Bayrle aus eigener Initiative den Aufbau der Ausstellungen im Portikus mit ihrer Videokamera gefilmt. Was zunächst als persönliche Dokumentation der Künstler*innen bei der Vorbereitung ihrer Ausstellungen im Museum begann, entwickelte sich bald zu dem einzigartigen Archiv Portikus Under Construction.
Ihre Filme sind subjektive und intime Beobachtungen der Künstler*innen und der Entstehungsprozesse der einzelnen Ausstellungen. Sie gehen weit über das Dokumentarische hinaus. Aus dem stundenlangem Material entstanden verschiedene Kurzfilme, die von einem spielerischen und zum Nachdenken anregenden Kamerablick gekennzeichnet sind. Das Besondere an Helke Bayrles Filmen beruht auf der Kontinuität ihrer Arbeit und ihrer offenen Herangehensweise. Im Laufe von 30 Jahren hat sie über 200 Ausstellungen festgehalten.
Die gesamte Community des Portikus und der Städelschule wird Helke Bayrle in liebevoller Erinnerung behalten.
Die Künstler*innen, Alumni und Studierenden, die dem Portikus und der Städelschule nahe stehen, hatten seit mehreren Jahrzehnten das große Glück, die Künstlerin Helke Bayrle zu kennen. In ihrem existenziellen Projekt 'Portikus Under Construction' porträtierte sie Generationen von Künstler*innen und ihre Arbeit. Sie bot uns so eine Meditation über die öffentliche Dimension der Kunst und eine Fülle von Einsichten darüber, wie unsere Anwesenheit und unser Engagement Handlungsfähigkeit und Hoffnung bieten. Sie war eine Filmemacherin des kreativen Prozesses, die es nie versäumte, dessen Potenzial und Versprechen zu bekräftigen. Wir werden sie sehr vermissen.
Yasmil Raymond, Direktorin Portikus und Rektorin Städelschule
Viele Ausstellungen vergisst man. Aber Helke sagte einmal, es sei wichtig, zu erinnern, gerade in einem Zeitalter mit überbordenden Massen an Information. Ihr Archiv war auch ein Protest gegen das Vergessen.
Daniel Birnbaum & Hans Ulrich Obrist in FAZ, 21. September 2022
Es sind aus heutiger Sicht fantastische zeitgenössische Dokumente, und wie immer bei Zeitzeugenschaft weiß man sie erst im Nachhinein in all ihren Dimensionen richtig zu schätzen, nicht während es passiert. Wer hätte 1993 schon gedacht, dass der junge Mann, der auf Knien sorgsam mit dem Daumen ein übergroßes Foto auf Papier an den Kanten zusammen montiert, dass dieser freundliche Typ im Karohemd, der Chansons und Choräle beim Arbeiten hört, genau 30 Jahre später Solo im MoMA zeigen wird. Wolfgang Tillmans fühlte sich wohl in Helke Bayrles Gegenwart.
Silke Hohmann in Monopol, 21. September 2022