AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG
31. MÄRZ 2023, 18.00 - 21.00
1. APRIL - 27. MAI 2023
DI MI DO FR 12.00 - 18.00
SA 10.00 - 14.00
The Long Way to the Studio
Das Werk von Alexander Wolff thematisiert vornehmlich die Malerei selbst, somit das komplexe Verhältnis von Farbe und Form, dem Zusammenspiel von Bildträger und Farbauftrag, sowie Erscheinungsformen und Möglichkeiten der Malerei. Dabei experimentiert er zumeist mit verschiedenen Techniken und Herangehensweisen innerhalb bestimmter Parameter, und sucht nach ihm unbekannten Formen und Bedeutungskonstruktionen, um so neue Bilder entstehen zu lassen, bei gleichzeitiger Verknüpfung mit der äußeren Welt. Er arbeitet parallel an unterschiedliche Ansätzen mit einer ungezwungenen und spielerischen Herangehensweise, die aber auch geprägt ist durch ein großes theoretisches Wissen und Kenntnis der verschiedenen Traditionen. So zeigen sich in der vorliegenden Ausstellung Analogien im Vorgehen und Denken zu Jasper Johns, Christopher Wool und Heimo Zobernig, im Umgang mit Schrift als ideellem Motiv, dem Raster als Organisationsprinzip der Bildfläche und der Abstraktion im Rahmen konkreter Fragestellungen. Zudem ermutigt Alexander Wolff mit seinen Werken den Betrachter zur Reflektion der physischen Eigenschaften von Farbe, zur Bewusstwerdung des Malprozesses und der essentiellen Elemente des Mediums.
Den Großteil der aktuellen Gemälde entwickelt Alexander Wolff ausgehend von chinesischen Schriftzeichen. Die Schriftzeichen, in verschiedenen digitalen Typografien angewendet, sind für Alexander Wolff Möglichkeiten eines Formenvokabulars und grafisches Material, mit denen er die Kompositionen konstruiert, in denen die Schriftzeichen mal mehr, mal weniger deutlich zu erkennen sind und sich in Farbe, Form und Flächen der Malerei fast aufzulösen scheinen. Der Vorgang selbst ist weder sichtbar noch exakt nachvollziehbar, dennoch scheint man vereinzelt der freien Choreografie folgen zu können.
Als Mitherausgeber eines Fanzines zu zeitgenössischer Kunst, Theorie und Gesellschaft befasst sich Alexander Wolff seit längerem mit Schriftgestaltung. Jede Ausgabe der Zeitschrift ist in einer anderen Typografie gedruckt und trägt deren Namen als Titel; Schrift wird ihn ihrem Ausdruck als inhaltliches Medium verstanden. Aus diesem Verständnis sind es die ästhetischen und expressiven Aspekte der chinesischen Zeichen, die ihn faszinieren und interessieren. Hingegen ist Kalligraphie die Kunst des schönen Schreibens. Wichtiger als die Leserlichkeit ist hierbei in der asiatischen Tradition die Erzielung perfekter ästhetischer Ausgewogenheit und das Sichtbarmachen von Emotionen, die in einer präzisen Geste ausgeführt werden. Trotz ihres eher konstruktiven Ansatzes lässt sich Wolffs Auseinandersetzung mit den Schriftzeichen und das Überführen in ein harmonisches Gesamtbild durchaus mit der eines Kalligraphen vergleichen. Die Zeichen erfahren einen Funktionswechsel, da sie unabhängig von ihrer Bedeutung zu einem neuen Bild werden.
Eine wiederkehrender Ansatz Alexander Wolffs sind die aus alten Leinwänden und zum Abstreifen des Pinsels benutzen Lappen, die zerschnitten und neu arrangiert zusammengenäht und auf Keilrahmen gespannt werden. Diese Arbeiten folgen zum Teil einer strengen Geometrie, bedingt durch die geraden Nähte und den monochromen und bunten Flächen, die wiederum spielerisch die Strenge konterkarieren. Die Technik dieser Werkgruppe erinnern mich wiederum an Ranru bzw. Boro. Ranru ist eine alte japanische Tradition und Technik, entstanden aus der Not der armen Landbevölkerung und der Notwendigkeit, jedes verfügbare Tuch zu verwenden. Teure Baumwollstoffe waren der Oberschicht vorbehalten, als alte, abgetragene und verschlissene Stoffe, Kleidung oder Lumpen gelangten sie preisgünstig in die Hände der japanischen Landbevölkerung, die diese zum Teil in übereinanderliegenden Schichten zu Decken, Jacken und Hosen nähten, die so zu ästhetischen eindrucksvollen Kleidungsstücken wurden.
„The Long Way to the Studio" beschreibt einen zeitlichen Vorgang, die Entwicklung einer Angelegenheit auf lange Sicht, in Verbindung mit einem ersehnten Ziel. Das Atelier erscheint hier wie ein Sehnsuchtsort, an dem man den Alltag hinter sich lässt, um sich ganz dem produktiven Schaffen zu widmen.
„Von außen betrachtet ist das Studio häufig ein überhöhter Ort. Selbst in meiner Vorstellung erscheint mir mein eigenes Atelier manchmal auch so, denn in der ganzen Messiness des Daseins, hat die dortige Tätigkeit etwas Klares. – Andererseits ist es aber auch genau das Leben drumherum, was diesen Ort (bzw. das Werk) erst mit Inhalten oder Bezügen anfüllt. Es gäbe ja ohne das Leben keine Kunst zu machen, und irgendwie spiegelt sich der Weg in dem Ziel, so dass der Weg einfach manchmal lang sein muss, damit im Atelier etwas entsteht.“ (A.W.)
Somit ist das Atelier für Wolff ein räumlich definierter Ort des Rückzugs und kreativer Denkraum, um sich mit sich und der Welt, und mit sich in der Welt auseinander zu setzen, die Welt auf vielfältige Weise anzuschauen, zu beschreiben, zu deuten und sie auf diese Weise auch neu zu erschaffen. „The Long Way to the Studio“ beschreibt aber auch, dass Geduld und Ausdauer, also sich einer Sache eine lange Zeit und ohne Nachlassen des Interesses zu widmen, entscheidende Faktoren sind. In diesem Sinn ist die vorliegende Ausstellung als kontinuierliche Weiterführung einer Hinterfragung und Befragung des Künstlers der Abstraktion und der Möglichkeiten der Malerei zu verstehen, unter Vermeidung einer eindeutigen Definition des Ziels.
Bernd Reiss
PHILIPP PFLUG CONTEMPORARY
BERLINER STRASSE 32
60311 FRANKFURT AM MAIN