Beobachtender Dokumentarfilm von Regine Steenbock, Deutschland 2022, 120 Min.
So. 26.03., 11:00
In Anwesenheit von Regine Steenbock
Mal Seh’n Kino | Adlerflychtstraße 6 | 60318 Frankfurt am Mai
Vor dem Hintergrund laut randalierender Bagger einer Großbaustelle spielt sich inmitten des globalen Status quo ein scheinbar zeitentrücktes Mysterium ab. Ein Ahnenfest der Miao: Opferbüffel werden für ihre Reise ins Jenseits vorbereitet und für diesen Anlass genauso gekleidet wie ihre menschlichen Geschwister. An der metallisch schimmernden Indigokleidung sollen sie von den Vorfahren als ihre Verwandten erkannt werden.
13 Monate verbrachte die recherchierende und filmende Künstlerin Regine Steenbock in Südchina, um die textile Sprache der chinesischen Miao-Minderheit zu erforschen. Kleidung dient dieser Gemeinschaft bis heute - ursprünglich anstelle einer Schriftsprache - als zentrales Medium der internen Geschichtsüberlieferung. Mit einer körperlich bewegten Kamera begibt sich Chinese Weave mitten in die sozialen Interaktionen, die mit dieser Praxis verbunden sind und verknüpft das Gesehene durch präzise Montage zu einem semantisch dichten filmischen Gewebe. Durch genaue Beobachtung und menschliche Nähe werden die Filmzuschauer*innen in einen visuellen Entschlüsselungsprozess eines animistischen Weltbezugs mit einbezogen, in dem die moderne Gegenwart nahtlos mit der vormenschlichen Schöpfungsgeschichte und globaler Popkultur zu verschmelzen scheint.
Regine Steenbock ist Künstlerin, Filmemacherin und ehemalige Modedesignerin. Medienübergreifend geht es ihr um eine künstlerische und anthropologische Auseinandersetzung mit der Conditio Humana, wie sie sich im Alltaglebens widerspiegelt. Nach ihrem Studium an der Städelschule in der Filmklasse von Peter Kubelka arbeitete sie zunächst von 1982 bis 1993 als unabhängige Filmemacherin. Ihre Filme waren in dieser Zeit schon des öfteren im Mal Sehn zu sehen. 1994 wechselte sie zum Modedesign und gründete 2002 ihr Modelabel Sium, mit dem sie bis 2015 international tätig war. Von 2016 bis 2018 lehrte sie als Gastprofessorin an der Beijing Normal University in Zhuhai/China und kam dort über die Beschäftigung mit der Textilsprache der Miao wieder zum Filmemachen. Ihr Künstlerinnenbuch Chinese Weave erschien im September 2020 und wurde von der Stiftung Buchkunst auf der Frankfurter Buchmesse 2021 auf die shortlist Die schönsten deutschen Bücher gesetzt. Der Film Chinese Weave (2022) erhielt gerade auf dem Quetzalcoatl Indigenous International Film Festival in Mexiko den Jury´s Award.