Stefan Wieland
6. Dezember 2019 — 18. Januar 2020
Slapstick Stage Light
Stefan Wielands “Lampen” sind kleine Bühnenbilder, dramaturgische Episoden aus bunten Acrylglasscheiben, die, sobald sie von elektrischem Licht dazu ermutigt werden, ihr physisches Dasein als Alltagsgegenstand in Frage stellen. Man ist mit der Funktion von Lampen als gewöhnliche Artefakte vertraut. Ob gut oder schlecht entworfen, sie beleuchten ihre unmittelbare Umgebung und machen Dinge sichtbar, sobald das Tageslicht schwindet. Wieland’s “Lampen” dagegen sind in diesem Kontext nicht zu finden. Sie beleuchten lediglich ihren eigenen rätselvollen Auftritt. Es gibt nur ihre hermetische Existenz. Sie machen sich das Schauspiel, das sie inszenieren, zu Eigen und definieren somit selbst Ihren Kontext und ihre Bedeutung. Untermauert wird das durch die seltsamen Namen, die Wieland seinen Kreationen gibt. Ihre Namen sind poetische Anregungen, die dem, worauf sie sich beziehen, eine Dimension verleihen, sich zugleich aber stur gegen jegliche Erklärung wehren.
Nehmen wir das Beispiel “Fernlicht für Moderne Menschen”: Drei bunte stielartige Acrylglasgewächse, die an ein schwarzes Gehäuse angebracht sind und aus dem wiederum ähnlich bunte, manchmal opake, manchmal durchsichtige Blätter, Blütenblätter und Blütenkronen aus dem verformten Plattenmaterial sprießen. Aus einem der kurzen Enden des schwarzen Unterbaus tritt eine schwarze Zunge hervor. Als wäre sie eine Entwässerungsvorrichtung für den Ausfluss des floralen Lebens auf einem Gebäude. Bei Tageslicht, wenn die “Lampe” “nur” ein Objekt ist, ist die heraustretende Zunge unübersehbar und das gesamte Ensemble der Plastikteilchen ist eine tägliche festliche Begehung der Künstlichkeit - ein kunterbunter Klamauk/Slapstick auf etwas entfernt Vertrautes. Bei Dunkelheit, dann wenn die “Lampe” ihre gebräuchliche Funktion als Lampe vortäuscht, tritt dieselbe Zunge visuell zurück und wird nebensächlich bei dem Schauspiel von Licht und Farbe, das darunter und darüber entsteht. Das schwarze Gehäuse, aus dem die floralen Acrylfiguren sprießen, ist am Boden mit versenktem roten Licht gesäumt, so dass das Objekt gespensterhaft zu schweben scheint. Die drei Stiele sind nun mit buntem Licht, aus dem Inneren kommend übersät. Oberhalb leuchten die Kanten der Blütenblätter und Blütenkronen und ihre Materialität aus Plastikscheiben ist aufgelöst und zugleich verstärkt.
Die humorvolle Mehrdeutigkeit in Wieland’s Arbeiten kommt gerade dann zum Vorschein, wenn die “Lampen” sich vom Alltäglichen, welches vermeintlich ihre Existenz einleitet, zurückziehen. Trotz ihrer minimalen Beleuchtungsstärke, ist “Fernsicht für Moderne Menschen” weder eine Lampe noch eine florale Skulptur. Ihre banale und doch seltsame Erscheinung bei Tageslicht setzt sich spielerisch dem bunten, nächtlichen Glanz entgegen. Ihr Name gibt keinen Aufschluss darüber, warum sie hier ist oder was sie sein könnte. Vielmehr wirbelt der Name das Objekt herum, ein Hin und Her vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen, das uns schließlich zu Zuschauern eines heiteren und widersinnigen Spektakels macht. Es sind irrationale und unerklärliche Figuren, die nur ganz flüchtig, für einen kurzen Moment, den Anschein von etwas Realem haben.
Die Spannung zwischen Ihrer Erscheinung bei Tag oder bei Nacht steht genau im selben Verhältnis wie ein Bühnenbild, das ohne oder mit Schauspielern bespielt wird. Tagsüber steht das Objekt bloß da, in Erwartung auf die Szenerie, die sich bei Einbruch der Dunkelheit einleitet und das Objekt zum Leben erweckt. Dennoch steht das bloße “Herumstehen” unmittelbar im Zusammenhang mit der Vorfreude auf das Schauspiel. Das Bühnenbild steht wegen seiner augenzwinkernden Künstlichkeit bereits bei Tageslicht im Widerspruch zum Alltäglichen und Gewöhnlichen. Die geschaffenen, dramaturgischen Kulissen sind für kleine Lichtspektakel gedacht, die mehr als nur ihre eigene inszenierte Existenz erleuchten. Der dem Spektakel innewohnende, subtile und surreale Humor wird dann vervollständigt, wenn der Lichtschalter betätigt wird und das illuminierte Theater seine eigene Geschichte zu erzählen beginnt. Wir sind die Zuschauer eines fabelähnlichen Klamauks, ohne spezifische Handlung, außer, dass er fortwährend die Realität neu fasst.
Johan Bettum
PHILIPP PFLUG CONTEMPORARY
BERLINER STRASSE 32
60311 FRANKFURT AM MAIN