JAGODA BEDNARSKY & FELIX KULTAU
bis 30. Juli 2023
OLDENBURGER KUNSTVEREIN
Damm 2a
26135 Oldenburg
»Ein lebendiger Traum hat mir alles dargestellt.«
»Sie scherzen?«
»Keineswegs.«
E. T. A. Hoffmann: Die Elixiere des Teufels, 1815
Das Unheil hat sich angekündigt: Leerstellen klaffen im grinsenden Gebiss einer vormals rosigen Zukunft. Kein gutes Omen, so ein Zahnverlust, sagt die Traumdeutung. Tod, Konflikt, Kontrollverlust – Auslegungssache. Die Attraktion des Unheimlichen verbietet Eindeutigkeit.
Jagoda Bednarsky und Felix Kultau optieren auf die skurrile Verheißung rauschhafter Bildwelten. Der Ausbruch aus der gesellschaftlichen Ordnung ist auf Kultaus Spindtüren nur eine Tollkirsche weit entfernt. Bednarskys Gockel trippen bereits. Mit irren Pupillen und Augenringen bis an den Kehllappen wabern sie inmitten psychedelisch vibrierender Farbfelder. Schon erschöpft, aber noch wach.
Zum fünften Mal stellen Bednarsky und Kultau gemeinsam aus. „Heavy Meta / Shadowland“ ist das Destillat eines Ringens um Abgrenzung. Bednarsky und Kultau haben gemeinsam an der Frankfurter Städelschule studiert, ihre künstlerische Praxis individuell entwickelt und das Gegenüber doch immer wieder im eigenen Werk durchscheinen sehen. Die Scheu vor dem Topos Künstlerpaar sollte sich, wenn nicht als unbegründet, dann als bezwingbar erweisen.
Im Oldenburger Kunstverein mag Kultaus hölzerner Paravent den Blick auf Bednarskys Malerei verstellen, gleichzeitig dirigiert das vermeintliche Hindernis Betrachtende der Leinwand entgegen. Der Umweg schärft den Blick: ihr Tropfen, seine Träne, ihr verblassendes Rosenmeer, seine übergroße Heilpflanze.
„Heavy Meta / Shadowland“ ist satt an Reizen und Referenzen. Spitze Nippel, sakrale Fensterbögen, Gaukler an Schalmei, Artemis vor Hirsch. Hinter der ästhetischen Überwältigung schwelen Unbehagen und Skepsis in Anbetracht einer Gegenwart, in der existenzielle Angst als Anxiety verwässert und die Frontkamera des Smartphones als Substitut zwischenmenschlicher Nähe herhalten muss.
Fasziniert von der Groteske wandeln Bednarsky und Kultau lustvoll auf den Pfaden schwarzer Romantik. Im Schummerlicht der Leuchtkästen unter dem prüfenden Blick der Mondsichel berühren sich in ihrem „Heavy Meta / Shadowland“ Fantasie und Wahnsinn.
„Dunkle Ahnungen eines gräßlichen, mir drohenden Geschicks breiten sich wie schwarze Wolkenschatten über mich aus.“ So prophezeit der Student Nathanael seinen Untergang in E. T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“. Der Schatten wird Vorbote des Verhängnisses.
Wer aufsteigt, wird andere in den Schatten stellen. So heißt es doch. Auch Bednarsky und Kultau werfen Schatten – jedoch solche, die ineinandergreifen, wo sie im Kern zusammengehören. Die schicksalhafte Verklärung des Abgründigen liegt ihnen fern. Kultau kommentiert konformistisches Ordnungsmobiliar mit einem Sechs-Punkte-Plan zum Glück. Bednarsky theatralisiert die Abendröte mit Schleife. Die Überzeichnung der Sehnsucht rückt den Traum in die Realität.
Einst ließ Heinrich Heine ein Fräulein am Meere stehen. Die Sonne ging unter und das Fräulein seufzte ob des anstehenden Verlusts. Da kam, frei nach Bednarsky, der Herr Romantik und sagte: „Komm mal runter, die kommt ja morgen wieder.“
Am Ende des Ausstellungsraums inszeniert ein Vorhang einen Anfang. Eine hölzerne Hand rafft den Stoff für ein klein wenig betörende Perspektive – and they say chivalry is dead.
Text: Anna Meinecke