Grüner Salon
Diskurs
Englisch
Dienstag, 26. März 2019, 19 Uhr
Einlass 18 Uhr
Die öffentlichen Räume, durch die wir uns bewegen, folgen der Logik traditionell männlich konnotierter Sichtbarkeiten. Obwohl nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, sind Ästhetik, Architektur und Funktionalität von Stadtbildern, öffentlichem Freizeitraum und Innenräumen öffentlicher Einrichtungen jahrhundertelang durch patriarchale Organisation strukturiert. Auch wenn die binäre Unterscheidung zwischen dem weiblichen, privaten und häuslichen Raum und den männlichen, öffentlichen Außenbereichen fast so alt ist wie der Raum selbst, ist sie doch immer noch in die Arten und Weisen eingeschrieben, wie unsere Umgebungen gestaltet sind. Historisch folgt das Konstruktionsprinzip der „Perspektive“ dem Credo - „Männer schauen Dinge an“: von Vasari über Nachtsicht-Geräte in der Kriegstechnologie, POV-Pornografie bis Google Street View. In der ikonischen Figur des Flaneurs, der brutalistischen Architektur oder den Psychogeografien des öffentlichen Raums ist Männlichkeit zur Form geworden. Die Definitionen von „Funktionalität“, „Effizienz“ oder „Neutralität“ im Design, die traditionell mit einer männlichen Identität verbunden sind, werden in der Erscheinung der Dinge sichtbar und in unserer täglichen Umgebung reproduziert. Wenn auch nicht explizit phallisch: Die symbolische Funktion von Architektur und Stadtplanung als Repräsentation von Prestige resultiert aus dem jahrhundertelangen Bedürfnis, männliche Macht zu manifestieren und zu bezeichnen, unabhängig davon, ob es sich um die Kirche oder den Staat handelt.
Im Haus am Lützowplatz erforschte Amy Ball für die erste Spielzeit von ASSEMBLE in dem Performance- und Installationsstück WOMEN die Bedingungen des geschlechtsspezifischen Raums mittels einer mehrdeutigen Persona, die mit der traditionell männlichen Figur des Motorradfahrers identifiziert wird. Das Bild des einsamen Abenteurers, der in der weiten Natur unterwegs ist, ob zu Pferd oder mit dem Motorrad, ist stark mit den Fantasien von Männlichkeit und Freiheit verbunden.
Im Gespräch mit Anna Gien, Fette Sans und Verena Dengler werden nun verschiedene künstlerische Ansätze für die Möglichkeiten der Feminisierung des Raums betrachtet: Wie bedingen diese Einschreibungen die Art und Weise, wie wir uns durch Räume bewegen? Wie kann man als Körper und als politisches Subjekt davon betroffen sein? Wie sind die imaginären und emotionalen Räume mit der ästhetischen Realität unserer Umgebung verbunden? Gibt es Möglichkeiten, die Gestaltung des Raums zurückzugewinnen? Kann es darin eine Möglichkeit geben, eine feminine / feminisierte Alternative zu erschaffen, die nicht durch Mangel definiert ist? Und wie lassen sich weibliche Klischees vermeiden, die vor allem durch Narrative weißer cis-Frauen geprägt sind?
ASSEMBLE
Die Performancereihe ASSEMBLE gibt neue Live-Kunstwerke für Kulturinstitutionen in Berlin in Auftrag. Gegründet 2017 von Adela Yawitz und Anna Gien, begreift ASSEMBLE Kunstinstitutionen als öffentlichen Raum. Das monatliche Programm besteht demnach aus öffentlichen und offen zugänglichen Versammlungen in Kunsträumen. Die eingeladenen Künstler teilen allesamt ein Interesse am Potenzial von Gruppen und Versammlungen sowie an deren politischer Bedeutung. ASSEMBLE untersucht die Bedingungen, unter denen manche Körper sichtbar werden, während andere unsichtbar bleiben, exponiert oder herabgewürdigt werden; wie sich Gruppen bilden und auflösen, sowie Momente der Beziehung zwischen Körpern in einer hyper-individualisierten Lebenswelt. Im Verlauf der Serie zeigen die Performances mögliche Formen öffentlicher Versammlungen, Widerstände oder Identitäten auf und betrachten die Möglichkeiten kollektiver und individueller Handlungen im öffentlichen, privaten und institutionellen Raum.
Im Grünen Salon veranstaltet ASSEMBLE parallel zu den öffentlichen Performances eine Reihe, in der die jeweiligen zentralen Anliegen in Gesprächen beleuchtet werden. Die Künstler sind eingeladen, ihre Arbeit noch einmal anders zu präsentieren; führende Theoretiker und Praktiker sprechen über den öffentlichen Raum; und es gibt faszinierende Perspektiven auf die öffentliche Sphäre des Internets, auf queere und feminisierte Räume sowie auf den spezifischen öffentlichen Raum der Stadt Berlin zu hören.
Das ASSEMBLE Performance-Programm 2019 wird am 3. Mai im Kunstquartier Bethanien mit einer Neuproduktion von Raimund Hoghe eröffnet.
ASSEMBLE wird ermöglicht durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin.
Volksbühne Berlin
Rosa-Luxemburg-Platz
10178 Berlin