1984 schrieb der Künstler Hans Haacke, die graue Eminenz der Institutionskritik, den bahnbrechenden Text „Museums, Managers of Consciousness“ – der kürzlich vom Museum M+ in Hongkong neu aufgelegt und damit aktualisiert wurde. Haacke stellt dort fest, dass Museen „in den Weinbergen des Bewusstseins“ arbeiten („museums work in the vineyards of consciousness“, Haacke 1984, 2018). Dem Essay liegt die Annahme zugrunde, dass das ultimative Ziel des Kunstmuseums nicht nur darin besteht, die kulturelle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Gesellschaft zu belegen, sondern auch „neue“ Formen des Bewusstseins in Bezug auf die Geschichte, die Gegenwart und die unbekannten Zeitzonen, die vor uns liegen, zu schaffen. Trotz aller Versuche, einladende, demokratische Versammlungs- und Begegnungsräume zu sein, in denen neue Formen des Bewusstseins entstehen, scheitern Museen in Wirklichkeit oft an dem Versuch, unerwartete und bedeutsame Beziehungen zwischen Betrachter*innen und Kunstwerken herzustellen, um neue Formen des Verstehens, der Aufmerksamkeit und der Sensibilität herauszukitzeln und zu fördern. Dieses Zwischenfazit ist jedoch kein Grund zur Verzweiflung, sondern ein Anlass zur Selbstreflexion. Wie können Museen – und insbesondere transhistorische Museen mit Sammlungen, die sich über Jahrhunderte und manchmal Kontinente erstrecken – in der heutigen Zeit sowohl die Tradition pflegen als auch in die Zukunft investieren? Wie können Museen „Zentren der Neugier“ sein und zeitübergreifend arbeiten, anstatt die Vergangenheit von der (brutalen) Gegenwart und dem, was noch kommen wird, zu trennen? Gibt es Möglichkeiten, Künstler*innen nicht nur als Produzent*innen von Werken, sondern auch als Denker*innen einzubeziehen, die sich täglich aktiv mit dem Visuellen auseinandersetzen?
Ann Demeester, 1975 geboren in Brügge (Belgien), ist seit Oktober 2022 Direktorin des Kunsthaus Zürich, dem größten Kunstmuseum der Schweiz. Von 2014 bis Februar 2022 war sie Direktorin im Frans Hals Museum im niederländischen Haarlem, ein Museum für Altmeister, Moderne und Gegenwartskunst. Zuvor stand sie während acht Jahren an der Spitze des de Appel, einem Ausstellungszentrum für zeitgenössische Kunst und Performance in Amsterdam, berühmt für das „Curatorial Programme“ zur Ausbildung von Kurator*innen.
Ann Demeester studierte Literatur und Linguistik (Englisch/Niederländisch/Norwegisch) und arbeitete als Kunstkritikerin bei nationalen Zeitungen in ihrem Heimatland. Sie war Assistentin von Jan Hoet und Kuratorin am Belgischen Stedelijk Museum für aktuelle Kunst in Gent (SMAK) und dem Deutschen Museum MARTa Herford. Ann Demeester war 2003 Co-Kuratorin der Tirana Biennale und realisierte Ausstellungen mit Künstlerinnen und Künstlern wie Salla Tykka, Zarina Bhimji, Mika Rottenberg, Nina Yuen, Bjarne Melgaard, Luc Tuymans und Michael Borremans. Im Jahr 2009 kuratierte sie die Baltische Triennale in Vilnius gemeinsam mit Kestutis Kuizinas.
Bis 2022 hatte Ann Demeester eine ordentliche Professur für Kunst und Kultur an der Radboud Universiteit Nijmegen inne. Im Fokus ihrer Lehrtätigkeit stand der Begriff des „Transhistorischen Museums“, ein Museum, in dem Kunstwerke, Objekte und Ideen aus verschiedenen Zeitaltern und Perioden miteinander in Dialog treten. In den Niederlanden galt Ann Demeester als angesehene Botschafterin für Bildende Kunst und Museen, die einen lebendigen Dialog mit Politik, Medien und der Öffentlichkeit pflegt. Für ihre Verdienste wurde sie 2022 vom niederländischen Königshaus zur Ritterin geschlagen und mit dem Orden von Oranien-Nassau (Offiziersrang) ausgezeichnet.
Ann Demeester ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Zürich.
Der Vortrag findet auf Englisch statt.
Bild: © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
Hans Haacke, “Museums, Managers of Consciousness,” Art in America 72, no. 2 (February 1984); auch M+ Magazine, February 23, 2018, https://www.mplus.org.hk/en/magazine/museums-managers-of-consciousness/.